Lokalisierung im Internet. Erhebung und Evaluierung kultureller Marker im Vergleich zwischen Deutschland und China
- verfasst von
- Sandra Adam
- betreut von
- Joachim Grabowski
- Abstract
Das Internet entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem der populärsten Instrumente der Kommunikation, Werbung, Freizeitgestaltung und vor allem des Verkaufs, welches für Menschen weltweit zugänglich ist. Im Bereich des E-Commerce stellt die Website und ihre gestalterischen Eigenschaften dabei das Schaufenster zu den Onlineshops dar. Nach dessen Betrachtung entscheiden die Nutzer und Nutzerinnen, ob sie auf dieser Website verbleiben und dort Produkte oder Services erwerben möchten. Die Anpassung dieses Schaufensters an die jeweilige Zielgruppe spielt bei dieser Entscheidung eine zentrale Rolle. In den letzten Jahren untersuchten Forscher und Forscherinnen unter anderem auch, inwieweit eine Berücksichtigung von kulturellen Präferenzen in der Gestaltung von Websites sinnvoll und für Anbieter und Nutzende gewinnbringend ist. Doch gegenwärtig sorgen die unterschiedlichen Ansätze der diversen involvierten Fachdisziplinen für eine uneinheitliche Vorgehensweise und eine Zersplitterung der Forschungsergebnisse. Dadurch werden bereits erhobene Erkenntnisse nicht beachtet oder können kaum verglichen werden. Weiterhin besteht die derzeitige Datenlage vorwiegend aus kleinen Studien, die die gestalterischen Präferenzen zwischen spezifischen Ländern erheben oder den Effekt der Anpassung einer Website an kulturelle Hintergründe (Lokalisierung) mit bereits angepassten Websites untersuchen. Die Bewertung bei Letzteren unterliegt lediglich der Bewertung eines Experten oder einer Expertin. Die Überprüfung der Wirkung von zuvor erhobenen Präferenzen wird nur sehr selten gemeinsam untersucht. Die vorliegende Arbeit möchte beide Probleme aufgreifen. Zum einen werden Erkenntnisse, Instrumente und Methoden zur Erforschung der Lokalisierung aus unterschiedlichen Fachdisziplinen kombiniert und auf ihren Nutzen hin analysiert. Zum anderen werden kulturelle Präferenzen auf E-Commerce-Websites anhand des Länderbeispiels Deutschland und China erhoben und in einer zweiten Studie auf ihre Wirkung hin überprüft. Die Wirkung wird dabei über Einschätzungen der Ästhetikwahrnehmung, Aspekte der Loyalität innerhalb des Technology Acceptance Model und über Prozessdaten der Performance inklusive Blickbewegungsdaten überprüft. Die erste Studie zeigt lediglich eine kleine Auswahl an signifikanten kulturellen Präferenzen zwischen deutschen und chinesischen E-Commerce-Websites. Der Großteil der untersuchten Gestaltungselemente und -strukturen wird ähnlich stark in den beiden Ländern genutzt. Die gefundenen Präferenzen wurden anschließend in jeweils eine deutsch und eine chinesisch lokalisierte Prototypwebsite und zusätzlich in eine neutrale Website umgesetzt. In einer realitätsnahen Nutzbarkeitsstudie wurden diese drei Websites an 86 deutschen Versuchspersonen innerhalb eines Cross-Over-Designs auf ihre Wirkung hin untersucht. Die zweite Studie zeigt entgegen den Erwartungen keine oder durchmischte Lokalisierungseffekte sowohl bei den verschiedenen Einschätzungen als auch bei den Prozessdaten. Die drei Websites werden ähnlich attraktiv eingeschätzt. Ausnahmen bilden hier die Skalen Einfachheit und Kunstfertigkeit, auf denen die chinesisch lokalisierte Website positiver von den deutschen Versuchspersonen eingeschätzt wurden. Es zeigten sich keine Unterschiede in den Faktoren der Loyalitätseinschätzung oder den Blickbewegungsmustern. Die Zusammenhänge der Faktoren der Loyalitätseinschätzung stellen zwar leichte Unterschiede zwischen den Prototypwebsites dar, jedoch erweisen sich die angewandten statistischen Modelle als nicht passend für die vorliegende Stichprobe. Eine leicht kürzere Bearbeitungszeit deutet auf eine bessere Performance auf der deutsch lokalisierten Prototypwebsite hin. Die vorliegende Arbeit bietet insgesamt eine umfangreiche theoretische Grundlage für das komplexe Gebiet der Lokalisierung an, die aus den verschiedenen beteiligten Disziplinen in diesem Ausmaß noch kaum zusammengetragen wurden. Im empirischen Teil zeigten sich kaum wirksame kulturelle Unterschiede zwischen deutschen und chinesischen E-Commerce-Websites, was aus Sicht der Glokalisierung, Globalisierung oder der schnellen Gewöhnung an fremde Gestaltungsmittel erklärt werden kann. Eine Lokalisierung scheint zusammenfassend in dieser Websitekategorie und zwischen diesen beiden Ländern nicht notwendig zu sein. Nach der Analyse der angewandten Instrumente und Methoden mit dem Blick auf eine standardisierte Vorgehensweise für die Zukunft, werden sich vor allem die Interdisziplinarität und die Automatisierung als wegweisend erweisen.
- Organisationseinheit(en)
-
Institut für Psychologie
- Typ
- Dissertation
- Anzahl der Seiten
- 253
- Publikationsdatum
- 2023
- Publikationsstatus
- Veröffentlicht
- Elektronische Version(en)
-
https://doi.org/10.15488/14576 (Zugang:
Offen)